Die Baudenkmale und ihre stadtgeschichtliche Bedeutung
Nähert man sich dem Ort, so sieht man schon aus größerer Entfernung das Pyramidendach des Kirchturms von St. Nikolai auf einer Anhöhe emporragen.
Die Stadtpfarrkirche auf dem Clusenberg gehört zu den ältesten erhalten gebliebenen Bauwerken auf dem der Insel Rügen vorgelagerten Festland. Ob der heute unbekannte Flurname „Clusenberg“ sich von Nikolaus oder von clusa, d.h. eng abgeschlossener Raum –vergleiche Klausur, Mönchszelle – herleiten lässt, wissen die Gelehrten nicht genau. Ähnlich ist es mit dem Ortsnamen. Man bringt ihn mit „rike“, reich wie Richard, Richold, Richolf in Zusammenhang, obwohl viel wahrscheinlicher ist, dass er sich vom slawischen „Rikenbrega“ Seeufer, herleitet. Das „t“ welches erst im 15. Jahrhundert zukam, lässt auch an „richten“ denken, vielleicht mit der Klostergerichtsbarkeit in Zusammenhang stehend. Von der Feldsteinkirche weiß man, dass es westfälische Einwanderer gewesen sind, die den heute so beeindruckenden Hängekuppelbau vor 800 Jahren errichtet haben. Der damals noch kostbare Ziegelstein ist nur an den Fensterbögen und dem prächtigen, mit einem Kreuz verzierten Giebel verwendet worden. Die Kuppel weist ein so genanntes Domikalgewölbe auf, einen Bau, dessen Scheitelpunkt höher liegt als der Scheitel im Abschluss der Kreuzgewölbe.
In zahlreichen Kriegen und beim letzten großen Stadtbrand am 21. Oktober 1728, als die Häuser in der Langen Straße von Tribseer bis zum Stralsunder Tor vernichtet wurden, sind Kirche und Pfarre bedroht gewesen, jedoch unversehrt geblieben.
Stadttore
An das Vorhandensein der Stadttore erinnert heute nur noch die Darstellung eines Torturms im Stadtwappen.
An den Ortseingängen weisen seit einiger Zeit Schilder der evangelischen Kirchengemeinde auf die Jahreszahl 1220 hin, womit auf die Entstehungszeit der aus Feldsteinen errichteten Kirche aufmerksam gemacht wird.
Als im Jahre 1233 Mönche das Zisterzienserordens der Morimond-Linie aus Altenkamp am Niederrhein in die öde und vereinzelt von Wenden /Slawen) besiedelte Gegend kamen, erhielten sie zur Ausstattung des Klosters Campe auch das an einem See gelegene Dorf „Richtenberg“. Im Zuge der Bau- und Wirtschaftstätigkeit des Klosters Neuenkamp kamen immer mehr deutsche Siedler in die Umgebung des heutigen Franzburg. Die zahlreichen Dorfgründungen, die als Endsilbe das „-hagen“ im Ortsnamen haben, zeugen von der Urbarmachung eingehegten Landes. Bald konnte auch der Backstein hier hergestellt werden.
Kirche
Wohl um 1400 erfolgte der Bau der 40 m langen dreischiffigen Hallenkirche, und 100 Jahre später errichtete man westwärts den Turm mit den Stützpfeilern und dem Pyramidendach.
Als Marktort des Klosters entwickelte sich das Dorf Richtenberg früh zur Stadt, wie in einem Testament eines Camper Klosterbruders bereits 1297 bezeugt ist. Für das Jahr 1404 ist der Weihetitel Sankt Nicolaus in einem päpstlichen Dokument nachgewiesen. Diese späte Namensgebung steht wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Fertigstellung der Kirche an der alten Handelsstraße.
St. Nikolaus galt inzwischen nicht nur als Schutzpatron der Fischer und Seeleute, sondern auch als solcher der Kaufleute. Das ist bis zur Einführung der lutherischen Reformation bedeutsam gewesen. An den Heiligen erinnert heute im Innern der Kirche nichts, auch nichts mehr an einen der Gottesmutter Maria geweihten Altar, der auf einer Inschrift des älteren Abendmahlkelches von 1460 erwähnt wird.
Eine prächtige barocke Predigtkanzel (1700 bis 1720), die ornamentale Gestaltung des Chorraums mit Wandmalereien in teilweise ursprünglichen Farben und die insgesamt mattrote Ausrüstung beeindrucken den Besucher. Eine umfassende Restaurierung erfolgte 1913/1914. Drei gerahmte Tafelbilder, Epitaphien aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, erinnern an die Stifterfamilien. Eines der Bilder hat jetzt wegen seiner ungewöhnlichen Darstellung des Auferstandenen als Gärtner, wie er Maria Magdalena erscheint, das besondere Interesse der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gefunden und wurde durch einen Bericht im Magazin der Denkmalkultur (Monumente Nr. 9/10 2000) bundesweit bekannt. Daneben haben hierüber auch Forschungen des kunsthistorischen Instituts der Universität Wroclaw (Breslau) eingesetzt.
Große Verdienste um den Erhalt der Kirche haben sich im Laufe der Geschichte die Handwerker und deren Innungen erworben. Ein Gestühlsschild auf einer Bank neben dem Bürgermeistergestühl weist noch heute auf die Schuhmacherinnung hin, deren Vertreter dort ihren Platz hatten.
Ein Willkommen-Pokal der Innung der Richtenberger Leineweber von 1749 wird in der Sammlung der Stiftung Pommern in Kiel aufbewahrt. Während der pommerschen Herzogzeit gab es bei den Bürgern durchaus eine gewisse Wohlhabenheit. Damals war Richtenberg Amtsstadt. Die großen Nöte setzten mit dem Dreißigjährigen Krieg ein, der hier mit der in Franzburg von Herzog Bogislaw XIV. unterzeichneten Kapitulation seinen Anfang nahm, als kaiserliche Truppen einrückten, denen bald die Schweden unter Gustav Adolf folgten. Nach dem Frieden von Osnabrück kam das Land 1648 unter schwedische Herrschaft. In der Kirche hängt ein großes Brustbild eines schwedischen Marineleutnants, der hier 1700 starb, das an diese Zeit erinnert.
Damals grassierte die Pest, und der Nordische Krieg bis 1720 verheerte Vorpommern. Für eine Zeit lang flüchtete die Mehrzahl der Bewohner der Stadt hinter die Festungsmauern von Stralsund. Am 17. Oktober 1711 ist die Kirche von den „Moskowitern“ geplündert und völlig verwüstet worden, berichtete Pfarrer Benjamin Printz, dessen Bild neben dem seines gleichnamigen Vaters in der Kirche hängt. 1785 hatte Richtenberg bereits wieder 100 Häuser und 561 Einwohner. Nachdem 1815 Schwedisch-Vorpommern preußisch geworden war, gab es 1820 1195 Einwohner in 120 Häusern. Um 1826 entsteht die Wallstraße, heute Wasserstraße. Eine Choleraepidemie dezimierte die Einwohnerschaft, von der 94 starben, sodass der die Kirche umgebende Friedhof seit 1852 nicht mehr zu Beerdigungen genutzt werden konnte. Dort befindet sich abseits vom Verkehrslärm eine parkartige Landschaft. Auf dem nördlichen Kirchhof erinnern noch zwei Grabsteine an den einstigen Begräbnisplatz. Inmitten der Rasenfläche südlich der Kirche befinden sich die Grabplatten der Oebelitzer Gutsherrschaft von Keffenbrink. Die Oberflächen der Steine wurden 1999 freigelegt, sie sind bereits stark verwittert. Ein Sohn der Keffenbrink ist Schillscher Offizier gewesen. Lesbar ist die Inschrift des Namens der Hofgerichtsrätin, einer von Podewils aus der bekannten Demminer Adelsfamilie
Nähert man sich vom Markt her über die Kirchstraße der Kirche, so stößt man auf ein Denkmal mit einem Findlingsstein. Es war vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges das mit dem Eisernen Kreuz, dem preußisch-deutschen Kriegsorden, verzierte Gefallenendenkmal, wie man damals sagte. Das Kreuz ist zerstört worden, auch wurden die großen, noch immer im Chorraum der Kirche hängenden hölzernen Gedenktafeln, die an die Gefallenen der Kriege 1866, 1870/71 und 1914/1918 erinnerten, mit Farbe übermalt. 137 Namen sollen darauf gestanden haben, bevor sie 1945 unleserlich gemacht wurden.
Seit 1990 findet das Totengedenken für die Opfer von Krieg und Gewalt am Volkstrauertag eines jeden Jahres vor dem Findlingsstein statt. Seit den 80er Jahren trägt dieser ein Kruzifix, das, einer Anregung des damaligen Pfarrers Freiherr Manfred von Saß folgend, der Jenaer Künstler Eberhard Francke gestaltet hat. Nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen am 02. Mai 1945 durfte der toten deutschen Soldaten nicht mehr öffentliche gedacht werden. Ein vor dem Kircheneingang als Trittstufe verwendeter Grabstein ist im Turmraum der Kirche aufgestellt worden. Die Stele erinnert an den Lendershäger Martin Schulz 1770. …..
Quelle: Dr. Wolfgang Fiedler